Der erste absolut ehrliche Bericht über den Aktienmarkt

Von 
Björn Beier
 · Hochgeladen am 
Jan 23, 2023
 · Letztes Update am 

Der Markt™ erholte sich heute früh aus Gründen, die niemand versteht und auch niemand vorhergesagt hat. Analysten auf ENTV behaupteten selbstbewusst, dass dies etwas mit der senegalesischen Geldmenge zu tun habe, andere wiesen auf revidierte monatliche Zahlen der kommerziellen afghanischen Ziegenhirten hin. Der DAX fiel am späteren Morgen um 69 Punkte, da Anleger Gewinne mitnahmen - was eine komplett bedeutungslose Phrase ist, welche Finanzjournalisten nutzen wenn sie keine Ahnung haben, worüber sie eigentlich sprechen.

Gegen Mittag stiegen besonders die Aktien im Technologiesektor stark an (vielleicht wegen dem Gewinn-Zurücklassen der Anleger?) kurz bevor eine spätere große Verkaufswelle für starke Verluste am gesamten Markt sorgte. Glücklicherweise folgte nach der Verkaufswelle direkt eine Kaufwelle, da bei jeder Transaktion am Aktienmarkt ein Verkäufer immer an einen Käufer verkaufen muss, da sich Aktien nicht magischerweise in Luft auflösen.

Olaf Scholz färbte sich die Haare, Joe Biden stolperte über den Rasen seines Golfplatzes und der chinesische Präsident machte sicher irgendetwas Kommunistisches. Selbstverständlich hatten diese politischen Ereignisse ebenfalls Einfluss auf den heutigen Markt. Damit meine ich jedoch nicht den Anleihemarkt, denn der war langweilig wie immer.

Am Abend dann folgte die Sitzung der Europäischen Zentralbank. Die Notenbanker senkten die Leitzinsen tatsächlich völlig überraschend. Getrieben von diesen Nachrichten stieg der Markt stark an, da niedrige Zinsen einen positiven Einfluss auf die Vermögenspreise haben. Danach rauschte der Markt jedoch ab, da der Markt nun das Inflationsrisiko einpreiste. Anschließend trieb die Erwartung, dass die niedrigen Zinssätze die träge Wirtschaft ankurbeln, den Aktienmarkt auf neue Hochs. Nachfolgend fiel der Markt jedoch wieder, da eine überhitzte Wirtschaft die Zentralbanken ultimativ wieder zu einer Erhöhung der Zinsen zwingen würde.

Um diese marktbewegenden Ereignisse einzuordnen, dürfen nun - wie immer in einem professionellen Marktbericht - die Zitate der alten Säcke nicht fehlen:

“Die jungen Leute am Markt sind verwöhnt von zu hohen Kursen & werden sich die Finger verbrennen!” warnt der Senior Chefanalyst der HBSC, Peter Put, der schon seit Anfang 2020 vollständig in Cash ist und auf den nächsten großen Crash wartet.

Andere Hedgefondsmanager bestätigen dieses Sentiment: "Klar, ich habe zwar die letzten 5000 Punkte des DAX-Anstiegs verpasst und mein Fonds hat seit Auflage in 2014 solide 3% des Anlagevermögens vernichtet, aber mal ehrlich, wen kümmert das? Die Gebühr des Fonds bezahlt mich, nicht die Fondsperformance." erklärt uns Mirko Düller, während er champagner-spritzend Untergangsszenarien aus seiner S-Klasse brüllt.

"Die Zentralbank sollte dringend handeln und die Leitzinsen wieder erhöhen." schreibt der Ökonom Prof. Dr. Euri Bohr in einer am Abend vorliegenden Studie. Auf Nachfrage teilt er uns pikante Details zu seiner Analyse mit, die uns exklusiv vorliegen: "Wissen Sie, jeder kann sich Ökonom nennen, das ist gar keine geschützte Berufsbezeichnung. Eigentlich habe ich einen Doktor in Chemie. Dass sich mein Name wie der Euribor (Euro Interbank Offered Rate) anhört, ist reiner Zufall." eröffnet uns Euri Bohr, während er eine Münze aus seinem weißen Laborkittel holt. "Sehen Sie diese Münze? Wenn ich diese vor der nächsten Zinsentscheidung werfe, liege ich mit 50% richtig oder falsch. Das reicht für den Job als Ökonom. Denn wenn die Ökonomen stets richtig lägen, warum sind sie dann nicht verdammt nochmal reich und liegen nicht irgendwo am Strand rum? Das würde ich ja machen, statt irgendwelchen armen Studenten unverschämt schwere und höchst fragwürdige Makroökonomie-Klausuren zu stellen." erklärt uns der Wirtschaftswissenschaftler (auch das ist kein geschützter Begriff) Dr. Bohr.

Ich als Wirtschaftsjournalist füge diese Zitate gerne ein, damit es so aussieht, als hätte ich und meine Kollegen Ahnung von dem, was wir tun. Selbst wenn wir nur 24 jährige Studenten der Wirtschaftswissenschaft sind, die frisch von der Uni kommen.

Nun aber zu den Einzelwerten, die ein professioneller Trader sich auch auf seinem über 2000€/Monat kostenden Bloomberg Terminal in Echtzeit anschauen könnte. Andere Anleger sollten diese Art von Artikeln so oder so nicht lesen, denn was sich in der Presse gut verkauft schadet den meisten Anlegern. Sei es der Pessimismus von Crashpropheten oder der Traum von schnellem Reichtum (der dann oft leider schnell zerplatzt). Aber hey, für sinnvolle Investmentberatung werde ich nicht bezahlt, also weiter im Text:

Apples Börsenwert legte um gewaltige $2,3 Mrd. zu, was einem Kursanstieg von etwa 0,1% entspricht. Daimler fiel nach Dividendenausschüttung um 6%. Der Preis für gefrorenen Orangensaft Futures stieg nach kurzfristig extrem niedrigen Preisen um 75% und erwischte viele Trader sprichwörtlich kalt (bitte melde dich, falls du 6803 Liter gefrorenen Orangensaft brauchst, abzuholen in Hannover Herrenhausen). Auch Alphabet, die Muttergesellschaft von Google (was mittlerweile nun auch jeder wissen sollte, schließlich ist die Umstrukturierung nun mehr als sieben Jahr her) stürzte um 90% ab. "Mit diesem Einbruch hat niemand am Markt gerechnet." betont ein Analyst der UCS, der das Kursziel nach dem Einbruch nun schnell von 1000€ (BUY) auf 100€ (SELL) senkt, was im Nachhinein natürlich absolut niemandem nutzt. Oder Moment mal, war da nicht ein 1:10 Aktiensplit der diesen kaputten Kurschart begründet? Egal, nur noch schnell die Leserfragen und ich kann Feierabend machen:

Einer unserer Leser fragt: "Ist ein Kursanstieg von Apple zu erwarten, da ja das neue iPhone angekü.."
Nein, bitte stelle diese Frage gar nicht erst. Die Antwort ist ja, es ist eingepreist. Du denkst, dass Apple die Gewinnerwartungen deswegen im nächsten Quartal schlagen wird? Das wurde bereits eingepreist. Du arbeitest am Drive-In einer bekannten Burgerkette und hast herausgefunden, dass die Burger aus Menschenfleisch gemacht werden? Eingepreist. Denkst du, Insider wüssten das nicht bereits? Alles woran du denken kannst, wurde bereits eingepreist. Selbst die Gedanken, die du niemals haben wirst. Dein Bewusstsein ist nur eine Illusion, ein Produkt des allwissenden Marktes. Freier Wille ist ein Mythos. Der Markt sieht alles, weiß alles und war seit Beginn der Zeitrechnung bis zum Ende des Universums (der Markt hat den Tod des Universums bereits eingepreist) das, was die Menschheit geleitet hat. Also bitte, bevor du irgendwen fragst, ob Apple die Verkäufe des iPhone 60 bereits eingepreist hat, weißt du nun, dass das bereits eingepreist wurde. Bitte stelle keine weiteren so saudummen Fragen.

So, und wer jetzt denkt, ich hätte für den Artikel ernsthaft eigenes Research betrieben, der irrt sich. Im Grunde schreibe ich nur die englischen Artikel führender amerikanischen Nachrichtenagenturen ab und übersetze sie ein bisschen ins Deutsche. Eigenanteil? Fehlanzeige. Ein bisschen "The First Totally Honest Stock Market Story" hier, ein wenig Content aus Reddit dort: Zack, eine Story die du direkt in den Wirtschaftsteil jeder deutschen Zeitung drucken könntest. Wo kämen wir denn hin, wenn Finanzjournalisten ernsthaft eigene oder gar investigative Arbeit machen würden? Im schlimmsten Fall wird man davon von der BaFin auch noch angezeigt! Nein danke, diesen Stress erspare ich mir lieber.

Disclaimer: Der Autor unterliegt einem potenziellen Interessenkonflikt, da er im Artikel genannte Aktien im Portfolio halten könnte. Eigentlich gibt es gar keine potenziellen Interessenkonflikte, sondern nur tatsächliche Interessenkonflikte. Und ach ja, bevor ich es vergesse:  Historische Renditen sind kein Indikator für zukünftig erzielbare Renditen! Interessiert dich nicht? Habe ich mir gedacht. Schließlich stützt du deine Aktienkaufentscheidungen auf Aktientipps von maskierten Finanzinfluencern aus dem Internet. Naja, immerhin habe ich dich gewarnt.


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